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Sommerschnitt oder Winterschnitt

Viele Baumfreunde und Gartenbesitzer gehen davon aus, dass Bäume richtigerweise im Winter geschnitten werden sollten. Die Tradition gibt ihnen recht. Bauern schnitten ihre Obstbäume schon immer im Winter, so wie die Gärtner ihre Zierbäume. Aus einem einfachen Grund: beide Berufsgruppen waren während der Vegetationsperiode von Frühjahr bis Herbst mit ganz anderen Arbeiten beschäftigt.
Professionelle Baumpfleger müssen diesen praktischen Notwendigkeiten nicht folgen. Sie teilen ihre Arbeit saisonal und nach baumbiologischen Kriterien ein.

cutting a tree with a saw

Wie unterscheiden sich Sommer und Winterschnitt?
Im Laufe des Jahres durchlaufen Gehölzpflanzen unter mitteleuropäischen Klimabedingungen vier Stoffwechselphasen:

1. Im Frühling aktivieren sie den Saftfluss und bilden Knospen.
2. Es folgt im späten Frühjahr und Frühsommer der stärkste Dicken- und Längenzuwachs.
3. Im Spätsommer werden Reservestoffe im Gewebe eingelagert.
4. Im Spätherbst und Winter ruhen die biochemischen Prozesse.

Je nach Jahreszeit reagieren Bäume aufgrund ihres physiologischen Zustands besser oder schlechter auf einen Baumschnitt

Tabuzeiten für den Baumschnitt
In zwei Perioden dürfen Bäume auf keinen Fall geschnitten werden.
Während des Knospenbruchs und Laubaustriebs im Frühjahr und während der Laubverfärbung im Herbst. Die Gehölze sind in diesen beiden Stadien äußerst empfindlich und verkraften äußere Eingriffe nur schwer.

Der Winterschnitt aus baumbiologischer Sicht
Wird das Holzgewebe während der Vegetationsruhe verletzt, kann es sich nicht gegen das Eintreten von Luft, Bakterien und Pilzen abschotten. Weil während der Vegetationsruhe keine Zellteilung stattfindet kann das Baumgewebe nicht automatisch einen Überwallungswulst ausbilden und damit die Wunde schützen, wie das im Sommer der Fall wäre. Statt dessen bleiben winterliche Baumwunden bis zum Frühjahr ungeschützt und anfällig.

Einige Baumarten (z.B. Ahorn, Birke, Hainbuche und Hartriegel) neigen zum „Bluten“. Der ausfließende Saft enthält gelösten Zucker, das ideale Lebensumfeld für viele Pilze und Bakterien, die den Baum schädigen können.

Bäume lagern im Herbst reichlich Reservestoffe (Assimilate) ein und tendieren nach einem Winterschnitt dazu, besonders viele schlafende Augen auszutreiben und neue Knospen zu bilden, um den Eingriff zu kompensieren. Die gelichtete Baumkrone wird so in wenigen Jahren immer dichter und muss erneut ausgelichtet werden. In kurzen Abständen wiederholte Baumschnitte schwächen Bäume aber und machen sie anfälliger.

Aus baumbiologischer Sicht ist der Winterschnitt bis auf einige Ausnahmen nicht empfehlenswert.

Die Ausnahmen
Nadelhölzer
können ohne Nachteile im Winter geschnitten werden. Das an den Wundflächen austretende antimikrobiell wirkende Harz verschließt Schnittwunden zuverlässig. Im Sommer ist es temperaturbedingt wesentlich dünnflüssiger, tropft, verschmutzt den Untergrund und erschwert dem Baumpfleger die Arbeit.
Platanen
sollten aus Sicherheitsgründen im laublosen Zustand geschnitten werden, denn viele Menschen reagieren auf die flaumige Behaarung von Platanenblättern mit Haut- und Schleimhautreizungen.
Für bruchgefährdete Bäume, die aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht ohne Berücksichtigung der Baumbiologie stark zurückgeschnitten werden müssen, ist der Winterschnitt ein Vorteil. Weil im Winter keine Sonnenbrandgefahr besteht und weil die Gegenreaktion – verstärktes Austreiben im Frühjahr – dann zum Vorteil wird.

Vorteile des Sommerschnitts
– Im Sommer setzen sofort nach dem Schnitt baumeigene Reparaturmechanismen ein, die das Gewebe vor Schäden bewahren.
– Wundholz überwächst die Schnittverletzungen schnell und schützt rasch vor schädlichen Eindringlingen.
– Im Sommer treiben Baumgehölze nicht so schnell nach, der mit dem Schnitt erzielte Lichtgewinn ist nachhaltiger.
– An den Schnittstellen tritt weniger Blutungssaft aus.

Tierschutz
Natürlicherweise werden Bäume im Sommer von vielerlei Tierarten bewohnt, die besonders in den Nist- und Brutzeiten nicht gestört werden dürfen. Das Tierschutzgesetz, ein professionelles Verantwortungsbewußtsein und der gesunde Menschenverstand sind der Rahmen, innerhalb dessen der Baumpfleger die optimalen Schnittzeiten geschickt koordiniert.